Wednesday 29 June 2011

Ankommen, Abreisen

Derzeit verabschieden sich sehr viele Menschen hier. Vor allem in Nadines Haus ist ein ständiges Gehen. Fast jede Woche geht ein Anderer. Das geht jetzt schon über einige Wochen so. So bin ich derzeit allein schon wegen diesen Abschiedsfeiern viel in Nadines Haus.
Auch bei SEED sind wieder viele tolle Persönlichkeiten gegangen. Freiwillige, deren Zeit zu Ende ging. Die Studenten der Stanford Universität in Californien bleiben zwar nie sehr lange bei SEED, doch fehlt mir ihre Anwesenheit und Hilfe doch ganz gewaltig. Und dann sind da natürlich die Freiwilligen die wie ich mehrere Monate bei SEED verbracht haben, fünf Tage die Woche, jede Woche. Steffi ist mittlerweile wieder in USA und versucht dort beruflich ihren Weg zu machen. Sie vermisst SEED und die Zeit hier sehr, sagt sie. Auch Valerie die fast zur gleichen Zeit wie ich bei SEED ankam dort aber nur ca. 9 Monate gearbeitet hat ist mittlerweile wieder in Deutschland.
Abschied nehmen ist traurig. Die Leute ziehen in alle Himmelsrichtungen und es ist mehr als ungewiss ob man sich nochmal sehen wird.

Wie wird es mir ergehen, wenn ich Abschied nehmen muss von allem hier?
Darüber reden Nadine und ich derzeit viel. Wie wird es uns in Deutschland ergehen? Wird alles, was wir hier erlebt haben wie ein Traum erscheinen? Es ist so anders hier als in Deutschland und es ist die Realität für die Menschen hier. Aber wie werden wir mit der Realität in Deutschland umgehen? Wie wird Deutschland mit uns umgehen?

Jetzt, wo ich so über das Weggehen und Abschied nehmen nachdenke fällt mir auf wie sehr ich doch angekommen bin. Ein Teil in mir will nicht Abschied nehmen. Ein Teil von mir sagt, dass ich mich doch hier auch gut zurecht finde, dass ich viele Freunde habe, eine Arbeit die mir Spaß macht, in einer Stadt lebe die vielleicht die schönste der Welt ist, der Mothercity eben und ich dann doch auch hier bleiben könnte. Aber dieser Teil steht nicht so in Verbindung mit jenem Teil der sich auch unglaublich auf Deutschland freut. Der sich darauf freut endlich wieder ein gemeinsames Leben mit meinem Mann Christoph führen zu können. Der Teil der sich auf die kleinen Sachen freut wie den Samstagsmarkt in Freising, Kyudo, Nachts alleine rausgehen zu können, eine Heizung und das üppige Grün überall.

Mothercity Cape Town

Ich finde es faszinierend wie ich meine Wahlheimat Kapstadt jetzt empfinde. Vor meiner Halbzeit hier habe ich noch anders gefühlt. Zumindest denke ich das jetzt. Ich habe mich hier noch nicht so sicher gefühlt. Ich wusste nicht wie ich von A nach B komme. Wenn ich dann doch mal ein Auto hatte war ich unsicher wegen dem Linksverkehr und weil ich mich nicht so auf Südafrikas Straßen auskannte. Ich wusste nicht, was mich erwartet, wie die Menschen auf mich reagieren. Vor allem jene mit denen ich bei meiner Arbeit zu tun haben? Wie werden sie auf die Weiße, auf die Deutsche reagieren? Vieles war so neu und unbekannt.
Das ist heute zwar auch noch vieles, aber dafür ist auch vieles schon sehr bekannt. Heute kann ich auf so vieles zurückblicken was ich schon gemacht und erlebt habe hier und vielleicht gibt mir das die Sicherheit die mein Empfinden gegenüber Kapstadt so geändert hat. Wie gesagt, heute fühle ich mehr denn je, dass Kapstadt ein Stück Heimat geworden ist. Etwas das ich nicht so einfach verlassen kann. Ganz besonders die Menschen werde ich vermissen, die mich mit solcher Wärme, Freude und Dankbarkeit hier aufgenommen haben. Ich mag mir gar nicht vorstellen dass sie ab Oktober nicht mehr in meinem täglichen Leben sind. 
Ich konnte im Oktober 2010 auch Deutschland nicht so einfach mir nichts dir nichts verlassen. Meine Neugier und mein Idealismus waren einfach nur größer in dieser Phase meines Lebens.

... und hier hats mich hinverschlagen

Bin ich tatsächlich erst jetzt, da ich den Abschied schon so greifbar vor mir habe angekommen? Angekommen in diesem Leben? Wenn ich zwei Jahre geblieben wäre, würde ich dann jetzt nicht so denken? Muss man wirklich immer den Abschied vor Augen haben um die Kostbarkeit des Hier und Jetzt begreifen und wertschätzen zu können? Wenn ja, welchen Abschied muss ich dann in Deutschland vor Augen haben um abermals so dankbar für mein Leben zu sein, wie ich es hier bin?

Meine letzten drei Monate sind angebrochen und es kommt mir unglaublich kurz vor.

(PS: Gerade springt mein „Musik-Zufallsmodus“ einfach so auf Hubert von Goiserns „Zeit“. Ein schöner Wink des Universums. „Hearst as ned, wia die Zeit vergeht...“ *sing)

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