Wednesday 6 October 2010

Erste Tage

5. Oktober

Die ersten Tage bei SEED sind wie im Flug vergangen und was kann ich über das Projekt bisher sagen? Ich finds toll!
Sicher, es ist viel zu tun und meine deutsche Gründlichkeit setzt sofort ein, wenn ich das Chaos in der Nursery sehe, aber ich lasse es langsam angehen. Afrikanisch eben. Ich denke, dass ich nicht das Recht habe hier anzukommen und erst mal alles zu kritisieren und an allem rumzunörgeln. Das kann man sich hier echt abgewöhnen. Alles ist viel gemütlicher und man regt sich kaum auf. Yoli, mit der ich derzeit auf Tour bin wurde heute zB eingeparkt, aber anstatt groß Aufstand zu machen wurde sie auf abenteuerliche Weise rausgelotst. Seitenspiegel einklappen und los geht’s. Wie sie aus der Lücke rausgekommen ist, ist mir ein Rätsel denn unser Pickup war keinen Fingerbreit von den anderen Autos weg. Hier wird wohl gerne mal improvosiert und kleine Wunder vollbracht.

Heute habe ich auch zum ersten Mal südafrikanisches Schulessen gegessen: Eine Art frittiertes Brot mit einer Fischfrikadelle. Die Hähnchenleber in Soße hat mir nicht so zugesagt und die Hühnerfüße wollte mir Yoli nicht gleich am ersten Tag zumuten. Und um es auf den Punkt zu bringen: Das Essen war lecker, fettig und macht ziemlich satt für die kleine Größe.

Yoli hat heute Unterricht an einer Highschool gehalten. Das war sehr interessant für mich zu sehen, wie Unterricht in Afrika so abläuft. Es wird eine Mischung aus Englisch und Xhosa gesprochen, was mich zu der Überzeugung bringt, dass ich doch noch das eine oder andere Wort Xhosa lernen sollte. Eines kann ich schon. Es stand auf einer laminierten Karte für den Unterricht drauf: umsundululu (Regenwurm) Zufall? Ach, sowas gibt’s doch gar nicht. :)
Ich durfte heute sogar schon ein wenig Unterricht halten. Ich hab den Kids ein paar  wenige Heilpflanzen und ihre Verwendung vorgestellt. Aber die Kinder bekommen lange nicht so detaillierte und strukturierte Informationen wie ich das aus Deutschland gewohnt bin. Vielleicht kann man an der Unterrichtsstruktur noch ein bisschen mehr Ordnung reinbringen, so wie in die Nursery.
Ich hab schon einige Ideen, was man alles machen kann, aber ich wollt es ja wie gesagt erst mal langsam angehen.

Sehr fasziniert hat mich heute die Erkenntnis, dass hier scheinbar das ganze Jahr angebaut und geerntet werden kann. Jetzt im Frühling sind zB Kapstachelbeeren, Erdbeeren, Mangold, Brokkoli und alle möglichen Gewürzpflanzen von Petersilie bis Kapuzinerkresse erntereif. Holunder blüht und ich musste Yoli schon versprechen, dass ich Hollersaft aus den Beeren für die ganze Crew mache. Wenn es sich irgendwie einrichten lässt, will ich auch noch einen Rhabarber anpflanzen, aber erstmal langsam und so, ne? Kristin hat heute die neue „Ökokiste“ oder besser „Ökotüte“ von ihrem Projekt Abalimi mitgebracht. Darin waren Staudensellerie, Salat, Mangold, Babylauch, Sprossen, Kartoffeln, Bohnen, Erbsen und so einiges mehr drin. Die Vielfalt ist gigantisch und wir reden hier wirklich von Frühling.
Ich hab mir schon einen Thymian auf dem Markt gekauft und dank der afrikanischen Sonne kann man ihm regelrecht beim Wachsen zusehen.

Leider hab ich heute keine Fotos für euch, was daran liegt, dass ich mich ehrlichgesagt noch nicht so recht trau eine Kamera in die townships mitzunehmen. Ich werde das mal noch klären, ob, wann und wie ich Fotos in den townships schießen kann.
Ich weiß, ich erzähle euch sehr viel, wie schön hier alles ist für mich, aber wenn ich ehrlich bin möchte ich euch auch so gerne zeigen in welchem Elend diese Leute hier leben. Die townships in denen wir arbeiten sind der Hammer. Heute waren wir in Guguletu das gleich neben dem Flughafen liegt. Viele Straßenhunde streunern durch die Gegend, viele Betrunkene oder Bekiffte, Autos mit lauter Rapmusik, Autos mit zerbrochenen und notdürftig verklebten Windschutzscheiben, ein Stromableser, der von einem Securitydienst begleitet wird, Hühner die auf der Straße verkauft und geschlachtet werden, Schafsköpfe auf der Straße... Ihr könnt euch das gar nicht vorstellen und ich kann es euch auch gar nicht schildern, sodass ihr es euch vorstellen könnt. Ich kann nur sagen, ich möcht es euch zeigen. Vielleicht bekomme ich das mit den Fotos noch hin. Ich hoffe es.
Dennoch fühle ich mich nicht unwohl als einzige Weiße in den townships. Ich fühle mich als Mensch, nicht als Weiße.

Und noch ein Satz den Yoli heute zu mir gesagt hat: „Diese Kids wissen so wenig, man weiß gar nicht, wo man anfangen soll. Alles was wir tun und hoffen können ist sie zu Menschen zu erziehen.“

In diesem Sinne grüße ich euch ganz herzlich und umarme euch, wie dieses Land mich. 

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